Nachhaltige Lieferketten in der Praxis

Wie Unternehmen die Risiken in der Lieferkette leichter bewältigen?

Nachhaltige Lieferketten sind von zentraler Bedeutung, da ein Großteil der ökologischen und sozialen Belastungen in der Lieferkette entsteht. Unternehmen, die auf nachhaltige Lieferketten achten, profitieren dreifach.

Erstens erfüllen sie das Lieferkettengesetz und vermeiden Haftungs- und Schadenersatzansprüche. Zweitens bauen Sie durch ein verantwortungsvolles Management der Lieferkette Vertrauen bei Ihren Kund:innen, Mitarbeitenden und Finanzpartner:innen auf und positionieren Ihr Unternehmen nachhaltig. Drittens nutzen Sie den Hebel der Lieferkette, um ökologischen und sozialen Mehrwert zu schaffen und nachhaltig zu wirtschaften.

Zum Buch: Nachhaltige Lieferketten -Praxisleitfaden durch den Label-Dschungel

Warum nachhaltige Lieferketten?

2024 wird es ernst mit der Lieferkettenverantwortung. Die Europäische Union verabschiedet das Gesetz zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette, das Unternehmen verpflichtet, nicht nur für ihre eigenen Aktivitäten, sondern auch für ihre Lieferkette Verantwortung zu übernehmen.

Warum? Nachhaltige Lieferketten sind für die Zukunft unseres Planeten und unserer Gesellschaft von enormer Bedeutung, denn die ökologischen und sozialen Belastungen und die damit verbundenen Risiken für Mensch und Umwelt in der Lieferkette sind um ein Vielfaches höher als die Belastungen im eigenen Unternehmen. Mit der nachhaltigen Gestaltung von Lieferketten hat jedes Unternehmen einen Multiplikatoreffekt für positive Nachhaltigkeitsleistungen. Nachhaltige Lieferketten zielen darauf ab, die negativen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft zu minimieren und gleichzeitig Effizienz und Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Unternehmen, die nachhaltige Lieferketten verwirklichen, tragen dazu bei, den ökologischen Fußabdruck zu verringern, soziale Standards zu fördern und die wirtschaftliche Effizienz zu verbessern..

Das Lieferkettengesetz (auch bekannt als Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) verlangt von Unternehmen, dass sie potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette identifizieren, mildern, beheben oder verhindern.

Ziel des Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte und Umweltschutz in globalen Lieferketten zu stärken. Es verpflichtet Unternehmen, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu überwachen und eine Beschwerdestelle einzurichten. Dies gilt nicht nur für die eigenen Aktivitäten, sondern auch für die von Tochterunternehmen und Geschäftspartnern.Unternehmen müssen ein umfassendes Risikomanagementsystem einführen, eine Risikoanalyse durchführen und einen Maßnahmenplan zur Verbesserung erstellen.

Einkaufsentscheidungen nachhaltig treffen

Große Unternehmen, die direkt vom Lieferkettengesetz betroffen sind, und ihre Zulieferer sind verpflichtet, die Lieferketten aller eingekauften Produkte auf Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu untersuchen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um negative Auswirkungen zu reduzieren.

Die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in der Lieferkette ist eine große und nicht einfache Aufgabe für Unternehmen. In der langjährigen Audit-Tätigkeit der Autorin hat sich gezeigt, dass Unternehmen oft nichts über ihre eigene Lieferkette wissen, nicht einmal über die direkten Lieferant:innen und schon gar nichts über die Lieferkette bis zum Ursprung der Rohstoffe. Es gibt zwar Labels, mit denen eingekaufte Produkte und Dienstleistungen bewertet werden können, aber viele Unternehmen kennen diese Labels nicht. Selbst wenn Labels auf Produkten zu finden sind, ist es schwierig und aufwändig zu überprüfen, was die Labels tatsächlich prüfen und wie verlässlich sie für die Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten unterschiedlicher Branchen sind.

Aktuelle Lösungen

Unternehmen, die das Risiko in der Lieferkette minimieren wollen, beschränken sich auf regionale Lieferant:innen, die sie persönlich kennen. Oder sie beziehen Waren aus der EU in der Hoffnung, dass dort höhere Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden. Dies ist jedoch oft nicht möglich, da viele Branchen ihre Produktion und Rohstoffgewinnung über den Globus verteilt haben und persönliche Überprüfungen aufwändig oder unmöglich sind.

Die einfachste Möglichkeit, sich eigene Überprüfungen zu ersparen, ist die Nutzung von vertrauenswürdigen Labels!

Diese überprüfen in unterschiedlicher Qualität Nachhaltigkeitskriterien in der Wertschöpfungskette. Liegt ein Label-Zertifikat vor, ist das Unternehmen auf der sicheren Seite. Allerdings gibt es in den einzelnen Branchen eine unüberschaubare Anzahl von Labels, die unterschiedliche Kriterien prüfen und daher unterschiedlich verlässlich sind.

Unternehmen stehen vor den Fragen:

Welche Labels gibt es überhaupt in den einzelnen Branchen?

– Was prüfen diese Labels?

– Wie verlässlich ist das Siegel?

Einkaufsentscheider:innen müssen die Antworten auf diese Fragen aufwändig selbst recherchieren und verlieren im oft unübersichtlichen Label-Dschungel leicht den Überblick. Hier setzt das Forschungsprojekt „Label-Check“ an.

Als Ergebnis finden nachhaltig interessierte Unternehmen und solche, die das Lieferkettengesetz einhalten wollen/müssen, eine Übersicht der wichtigsten Labels aus 13 Branchen, eine Kurzbeschreibung der 83 wichtigsten Labels und einen Vergleich der einzelnen Labels nach 16 Nachhaltigkeitskriterien.

Forschungsprojekt „Nachhaltige Lieferketten & Label-Check“

Das Forschungsprojekt „Nachhaltige Lieferketten und Label-Check“ widmet sich der wichtigen und drängenden Frage, wie Lieferketten grundsätzlich nach Nachhaltigkeitskriterien bewertet werden können und welche Labels für die Bewertung von Lieferketten in verschiedenen Branchen geeignet sind.

Als allgemein gültige und weltweit akzeptierte Nachhaltigkeitsziele werden die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen herangezogen. Dabei handelt es sich um globale Ziele, die für alle Branchen und Länder relevant sind. Die von den Labels bewerteten Kriterien werden dann den einzelnen SDGs zugeordnet und nach den gesellschaftlichen Werten Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit & Solidarität und ökologische Nachhaltigkeit geordnet. Insgesamt lassen sich 16 Nachhaltigkeitskriterien ableiten, nach denen 83 Labels aus 13 Branchen bewertet werden.

Abb: Nachhaltigkeitskriterien zur Bewertung der Lieferkette, Beispiel GOTS

Ergebnisse des Label-Checks

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sind in einem Praxisleitfaden zusammengefasst.
Eine inhaltliche Beschreibung der wichtigsten Labels aus den Branchen Bekleidung, IT, Druck, Holz, Lebensmittel, Energie, Kosmetik, Finanzen, Tourismus und Gebäude gibt einen kompakten Überblick über die wichtigsten Labels pro Branche. Für jede Branche werden die untersuchten Labels näher beschrieben, z.B. Hintergrund des jeweiligen Labels und Zertifizierungsprozesses, Zielsetzung, Gründungsjahr, Herausgeber, Anforderungen für die Zertifizierung, welche der 16 Nachhaltigkeitskriterien geprüft werden, Auditverfahren, Beispiele zertifizierter Produkte/Unternehmen und Verbreitung.

Darüber hinaus wird in einer detaillierten Beschreibung der Nachhaltigkeitskriterien pro Branche aufgezeigt, welche branchenspezifischen Risiken pro Kriterium bestehen und was in der jeweiligen Branche geprüft wird. So wird beispielsweise für die Textilbranche näher beschrieben, was unter existenzsichernden Löhnen, Gentechnikverbot, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Verbot von Kinderarbeit oder Schadstoffgrenzwerten in der Branche zu verstehen ist.

Im Teil Label-Steckbrief werden die einzelnen Labels übersichtlich dargestellt: Mit einer Kurzbeschreibung, einer tabellarischen Übersicht, welche der 16 Nachhaltigkeitskriterien das Label jeweils abdeckt, ob es sich um Positiv- oder Negativkriterien handelt (d.h. ob bestimmte Kriterien erfüllt sein müssen oder Ausschlusskriterien sind), wie das Prüfverfahren aussieht, wer der Herausgeber ist, Reichweite und Verbreitung, Kritik von NGOs und Fazit der Autorinnen sowie Quellenangaben.

Die besten Labels jeder Branche

Die folgenden Labels wurden als die besten ihrer Branche bewertet. Sie überprüfen die meisten der 16 definierten Nachhaltigkeitskriterien. Nur wenn diese erfüllt sind, wird ein Label vergeben:

Bekleidung, GOTS

IT, TOC-Certified

Druck, Cradle to Cradle

Lebensmittel, Demeter

Handel, Ja! Natürlich

Fisch und Meeresfrüchte, Naturland

Holz, Naturland

Energie, Österreichisches Umweltzeichen

Kosmetik, Natrue

Finanz, FNG

Tourismus, TourCert

Gebäude, Klimaaktiv    

Der Praxisleitfaden bietet Unternehmen aller Größen einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Aspekte der Lieferkettenbewertung für die wichtigsten Branchen.Kurz und übersichtlich erfahren die Leser:innen, wie sie die Nachhaltigkeit ihrer eingekauften Produkte effizient bewerten können und welche Labels in den verschiedenen Branchen als verlässliche Indikatoren für die Einhaltung des Lieferkettengesetzes dienen. mehr lesen

Empfehlungen für Unternehmen

Die einzelnen Label-Steckbriefe zeigen auf einen Blick, welches Label was garantiert. Diese Informationen sind wichtig, um die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette erfüllen zu können. Wählen Sie für jede Branche das passende Label aus. In Branchen, für die es kein passendes Label gibt, nehmen Sie direkt mit dem jeweiligen Lieferanten Kontakt auf und lassen Sie sich die Einhaltung der 16 Kriterien persönlich bestätigen. So können Sie auch Ihre Sorgfaltspflicht nachweisen. Im Zweifelsfall empfehlen sich stichprobenartige Audits.

Der Praxisleitfaden gibt den Leser:innen das nötige Wissen und die Werkzeuge an die Hand, um eine verantwortungsvolle und nachhaltige Einkaufsentscheidung zu treffen und damit der Sorgfaltspflicht nach dem Lieferkettengesetz gerecht zu werden.

Machen Sie den ersten Schritt und tauchen Sie ein in die Welt der Lieferkettenbewertung.  Lassen Sie uns gemeinsam die Herausforderungen annehmen und Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft finden.

Fazit

Das EU-Lieferkettengesetz soll die Weltwirtschaft fairer und nachhaltiger machen. Es verpflichtet Unternehmen in der EU zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette. 

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Nachhaltige Lieferketten und Label-Check“ tragen dazu bei, die Orientierung im Label-Dschungel zu verbessern und Risiken in der Lieferkette zu reduzieren. Es kann als positives Vorbild für weitere Forschungsprojekte dienen. Ein großes Problem bleibt jedoch die Vielzahl der Labels, die oft fehlende Transparenz entlang der Lieferkette und Greenwashing. Anstatt neue Labels zu entwickeln, wäre es in Zukunft wünschenswert, bestehende Labels zu verbessern und transparenter zu gestalten. So können sich die Abnehmer:innen in Zukunft besser auf die einzelnen Labels verlassen. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, die Besten jeder Branche mit einem Best-Practice-Logo hervorzuheben

Über die Autorin

Angela Drosg-Plöckinger ist Vordenkerin für zukunftsfähiges Wirtschaften, zertifizierte Nachhaltigkeitsberaterin und -auditorin, FH-Lektorin, staatlich geprüfte Unternehmensberaterin, promovierte Betriebswirtin, Mitentwicklerin des Gemeinwohl-Berichtsstandards und hat über 30 Jahre Erfahrung in der Begleitung von Unternehmen bei der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung. Sie unterstützt Unternehmen bei der nachhaltigen Transformation mit Instrumenten der Nachhaltigkeitsberichterstattung und Formaten zukunftsfähiger Unternehmensführung. Buch: „Nachhaltige Lieferketten

Kontakt: Angela Drosg-Plöckinger | mehrWerte Unternehmensentwicklung  
office@mehrwerte.at | www.mehrwerte.at

Buchpräsentation

Sie möchten mehr über das Forschungsprojekt „Nachhaltige Lieferletten“ erfahren? Dann sind Sie herzlich eingeladen zur Online-Präsentation am 30. Januar 2025.

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